Bavaria meets Austria – gemeinsam für den Reitsport
Beide „Pferdeländer“ haben in den vergangenen Jahren den Sport grenzübergreifend in puncto Veranstaltungen, Zucht und Nachwuchsförderung geprägt. Wie sieht das eine Reiterin und Ausbilderin, die international für Österreich startet und seit fast 20 Jahren in Bayern lebt? Wie schätzt das eine Grand Prix-Richterin ein, die mehrere Schüler erfolgreich bis zur schweren Klasse in den Sport gebracht hat und welche Gedanken beschäftigen hierzu den Geschäftsführer des Bayerischen Reit- und Fahrverbandes (BRFV)? AHI 2024: Herr Schreder, wenn Sie in Ihrem Büro in der Landshamer Straße in München so aus dem Fenster schauen, welches sind Ihrer Meinung nach die größten Veränderungen in der Bayerischen „Pferdesport-Landschaft“ der letzten zehn Jahre? Thomas Schreder: Der BRFV hat seinen Sitz auf der Olympia Reitanlage München Riem, einer der schönsten noch intakten Olympischen Reitanlagen direkt vor den Toren Münchens. Diese Nähe zur Landeshauptstadt hat Vor- und Nachteile. Einerseits ziehen wir mit unseren Veranstaltungen viele Menschen auf die Anlage und damit „zum Pferd“, auf der anderen Seite gibt es aber auch viel Unwissen und Unverständnis darüber, was die Pferdemenschen so tun. In diesem Bereich müssen wir heute viel stärker auf die Bevölkerung zugehen und über den Sport, das Pferd und die Harmonie zwischen Reiter/innen und Pferd informieren. Gleichzeitig sind in den letzten Jahren die sozialen Medien zu einem bestimmenden Moment in der Meinungsfindung geworden. Einerseits schätzen wir alle den unkomplizierten Austausch, auf der anderen Seite kann alles ungefiltert in die ganze Welt verschickt werden. Diese neuen Herausforderungen gilt es als Verband anzunehmen und gerade für die „Pferdesport-Landschaft“ Lösungsansätze zu finden, die den aktuellen Tierschutzgedanken ebenso wie den sportlichen Anforderungen gerecht werden. AHI 2024: Auf welche Entwicklung sind Sie unter Ihrer Leitung des BRFV besonders stolz, was sind Ihre Ziele für die Zukunft? Thomas Schreder: Der BRFV konnte in den letzten Jahren stabile, ja sogar leicht steigende Mitgliederzahlen verzeichnen. Unsere Struktur, unsere zahlreichen engagierten und ehrenamtlichen Fachleute auf rund 400 Turnieren, dazu das kleine, aber sehr gute Team in unserer Geschäftsstelle, bieten einen immer besser werdenden Service für rund 88.000 Mitglieder. Das wollen wir weiter ausbauen – dabei muss sowohl der Breitensport als auch der Leistungssport gleichermaßen unterstützt werden. Darüber hinaus ist der Erhalt der Olympia Reitanlage ein vorrangiges Ziel, das wir seit einigen Jahren verfolgen. Zusammen mit unseren Partnern auf der Anlage, dem Landesverband der Bayerischen Pferdezüchter und der Reitakademie München, kämpfen wir dafür, dass diese einzigartige Reitanlage in seiner Funktionalität erhalten bleibt. Kein einfacher Kampf und leider noch nicht final entschieden. Auch dafür brauchen wir die Akzeptanz der Bevölkerung, der politisch Verantwortlichen und die Unterstützung unserer Förderer. AHI 2024: Wir durften mit der Bayerischen Jugendleitung Michaela Beer und Sabine Winterling bereits ausführlich sprechen. Haben Sie in anderen Bereichen so etwas wie „Nachwuchssorgen“, z.B. beim Verband selbst, bei Richtern oder auch bei Veranstaltern? Thomas Schreder: Der BRFV ist im Bereich der Schulungen und Ausbildungen für Turnier-Fachleute sehr aktiv. Mit einem Mix aus neuen Angeboten und den bewährten Schulungsmaßnahmen erreichen wir eine große Zahl an interessierten Fachleuten. Wir freuen uns, dass die vielen Trainerausbildungen und Fortbildungen für Richter und TFL gut angenommen werden. Nicht zufrieden können wir mit der Entwicklung bei den PLS sein. Auch in Bayern sind die Zahlen leider rückläufig. Kleinere Veranstalter können die vielen behördlichen und sonstigen Auflagen nicht mehr erfüllen. AHI 2024: Das Pferdeland „Bayern“ bietet zahlreiche attraktive Veranstaltungen, die nicht nur auf finanzielle Unterstützung von Sponsoren, sondern vor allem auch auf ehrenamtliche Helfer angewiesen sind. Während z.B. in England das „Volunteering“ sehr beliebt ist, kämpfen hierzulande viele Veranstalter um freiwillige Unterstützung. Wie könnte man aus Ihrer Sicht das Ehrenamt noch attraktiver machen, um die Helfer auch langfristig an sich zu binden? Thomas Schreder: Es wird leider immer schwieriger, ehrenamtliche Unterstützung zu finden. Oft hört man: „Was habe ich denn davon, wenn ich mich hier engagiere?“ Ob im Vereinsvorstand, als Parcourschef oder als Abmister bei den PLS. Große Sorgen bereitet mir in diesem Zusammenhang die immer größer werdenden bürokratischen Hürden, die es vielen verderben, sich ehrenamtlich einzubringen. Beispiele dafür gibt es genug, ob es die Hygienevorschriften für den Kuchenverkauf beim Turnier sind, die behördlichen Auflagen bei der Absicherung von Turnierplätzen, oder die Vorgaben der tierärztlichen und humanmedizinischen Betreuung ist. Alles muss geordnet ablaufen, alles soll möglichst sicher sein, aber viele Veranstalter können das nicht mehr leisten und so laufen wir Gefahr, einen unverzichtbaren Teil für den Pferdesport zu verlieren. AHI 2024: Kerstin, als gebürtige Österreicherin bist Du seit 18 Jahren in Bayern ansässig und kennst Dich in beiden „Turnierlandschaften“ über die Grenzen hinweg bestens aus. Welche Vorzüge bietet Dir und Deinen Schülern das nationale Turniersystem in Österreich – welche Vorteile hat es, in Bayern an den Start zu gehen? Kerstin Reinelde Kronaus: Der große Vorteil in Österreich ist, dass man in allen Klassen an mehreren Tagen hintereinander an den Start gehen kann. So gibt es an einem Wochenende nicht nur eine A-Dressur, sondern man kann jeden Tag in dieser Klasse an den Start gehen. Das ist speziell für die jungen Pferde ein großes Plus. Aber auch meine Schüler profitieren sehr davon. Gerade bei Amateuren, die nicht so viel Routine im Prüfungsreiten haben, spielt die Nervosität eine große Rolle. Wenn sie dann mehrere Tage am Stück eine Prüfung in ihrer Klasse reiten können, kommt ihnen das sehr zugute. Außerdem mag ich die Atmosphäre an den österreichischen Turnieren sehr – es ist ein bisserl wie „Heimkommen“. Auch dass man bis zum Nennschluss am Vorabend spontan entscheiden kann, welche Prüfung man reitet, ist einfach toll. An Bayern mag ich die Turniere, wo wir nur hinfahren, reiten und wieder heimfahren. Sowas macht man in Österreich eigentlich kaum. Das war damals, als ich nach Bayern kam, total neu für mich. Mittlerweile schätze ich das sehr. Das ist sehr unkompliziert für mich als Profi mit dem laufenden Betrieb zuhause. Da kann ich gut am Vormittag mal 4-5 Stück reiten, mittags schnell z. B. nach Ingolstadt fahren (halbe Stunde von uns), eine Prüfung reiten und dann am Abend nochmal zuhause Unterricht mit meinen Kunden machen. AHI 2024: Michaela, wie schätzt Du die „Turnierlandschaft“ in Bayern ein – ist das System vor allem für junge Sportler ausgereift genug, um langfristig Fuß zu fassen oder gibt